Die blaue Plakette für Diesel

Viele Städte kämpfen mit zu hohen Stickoxid-Werten. Seit dem 27. Februar 2018 steht fest: Städte und Kommunen dürfen Fahrverbote für Diesel verhängen, um die Luft zu verbessern. Entscheidungsträger ringen mit den Folgen. Kommt jetzt die blaue Plakette für besonders saubere Autos?

Was ist die blaue Plakette?

Rot, Gelb, Grün – seit Einführung von Umweltzonen in 58 deutschen Städten kleben die bunten Plaketten in Millionen Windschutzscheiben. Sie kennzeichnen verschiedene Abgasstandards der Autos und regeln die Zufahrt: Rot und Gelb bleiben draußen, Grün darf rein. Derzeit wird diskutiert, ob eine blaue Plakette die bisherigen Kennzeichnungen ergänzen soll. Nur Autos mit dem blauen Sticker dürften dann in die von Städten und Kommunen ausgewiesenen blauen Zonen einfahren. Das Umweltbundesamt plädiert dafür, zwei neue Plaketten einzuführen. Eine hellblaue für nachgerüstete EURO-5-Diesel und bereits zugelassene EURO-6-Diesel sowie eine dunkelblaue für die neuesten EURO-6 und 6-Temp Klassen. Das Umweltbundesamt begründet die Abstufung damit, dass selbst neuere Euro 6 Diesel durch die Abgasmanipulationen im Dieselskandal noch zu viel Stickoxide ausstoßen, um die vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten. Außerdem wird die blaue Plakette auch für einige Ottomotoren mit Direkteinspritzung diskutiert. Bislang handelt es sich um Vorschläge. Eine gesetzliche Vorgabe gibt es noch nicht.

Wer ist für die blaue Plakette?

Neben dem Umweltbundesamt fordern vor allem Umweltorganisationen wie der Bund für Umwelt- und Naturschutz sowie der Naturschutzbund Deutschland und die Deutsche Umwelthilfe die blaue Plakette. Auch einige Kommunen befürworten den Einsatz der neuen Sticker, besonders, um eine effiziente Kontrollmöglichkeit bei Fahrverboten an der Hand zu haben.

Wer ist gegen die blaue Plakette?

Die Bundesregierung hingegen setzt auf individuelle Maßnahmen der Städte. Auch der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz Frank Horch hat sich Mitte April 2018 gegen die blauen Aufkleber ausgesprochen. Er setzt ebenso auf individuelle Maßnahmen wie Durchfahrtsbeschränkungen. Außerdem fordert er Nachrüstmöglichkeiten von den Herstellern genauso wie künftig saubere und bezahlbare Fahrzeuge.

Welche Vorteile hätte die blaue Plakette?

Die blaue Plakette hätte einen entscheidenden Vorteil: Kommt sie, gibt es eine bundeseinheitliche Regelung. Zudem wären die Einfahrtskontrollen für Fahrverbotszonen deutlich vereinfacht. Die Einführung der blauen Plakette würde das bestehende Instrument der Umweltzone weiterentwickeln.

Was spricht gegen die blaue Plakette?

Die Einführung der blauen Plakette bedeutet eine deutliche Wertminderung derjenigen Fahrzeuge, die sie nicht bekommen. Der Wiederverkaufswert von Dieselfahrzeugen ist bereits deutlich in den Keller gegangen – mit fehlendem blauen Aufkleber dürften sich die Preise weiter in der Abwärtsspirale bewegen.

Zudem bezweifeln Skeptiker den Nutzen der blauen Plaketten für den Umweltschutz. Vielmehr könnte sich das Problem schlicht verlagern, weil blaue Umweltzonen umfahren würden. Das senkt dann zwar die Luftverschmutzung in den ausgewiesenen Bereichen, könnte sie aber andernorts erhöhen. Der Druck auf Hersteller und Bundesregierung saubere Fahrzeuge zu entwickeln und Nachrüstungen zu finanzieren, dürfte jedenfalls kaum steigen, wenn die „blaue“ Lösung einmal akzeptiert ist.

Welche Alternativen gibt es zur blauen Plakette?

Um die Stickoxid-Belastung in Städten zu senken, gibt es verschiedene Maßnahmen, die alternativ zur blauen Plakette sinnvoll sein könnten. Dazu gehören beispielsweise der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und der Radwege, verbesserte Ampelschaltungen, Tempolimits oder Soft- und Hardware-Umrüstungen betroffener Fahrzeuge. Ein Dieselfonds von Bund und Herstellern soll Städte und Kommunen dabei unterstützen, geeignete Maßnahmen zur Luftverbesserung einzuführen.

Warum ist die grüne Plakette nicht genug?

Das Umweltbundesamt zog Anfang Februar 2018 Bilanz zu den bestehenden Umweltzonen. Es kommt zu dem Schluss, dass Umweltzonen eine wirksame Maßnahme zur Reduzierung von Feinstaub sind. Alle Städte könnten derzeit den europaweit geltenden Grenzwert von 40 µg/m3 im Jahresmittel einhalten.

Für die Belastung durch Stickstoffoxid hingegen sieht das Umweltbundesamt noch großen Handlungsbedarf. Etwa zwei Drittel der Messstationen an verkehrsreichen Straßen in Deutschland zeigten immer noch Überschreitungen der Luftqualitätsgrenzwerte, obwohl diese bereits im Jahr 2010 hätten eingehalten werden müssen, heißt es Anfang Februar 2018 in der Übersicht „Umweltzonen in Deutschland“. Daher müssten die Kriterien der Umweltzonen angepasst werden.

Die bisher gültigen Umweltplaketten sind 2008 eingeführt worden, um die Feinstaubbelastung zu senken. Man spricht auch von „Feinstaubplaketten“. Die möglichen blauen Aufkleber zielen vermehrt auf den Ausstoß von Stickoxiden und wären eine Ergänzung zum bestehenden System.

Kann ich meinen Diesel nachrüsten?

Grundsätzlich können Dieselfahrzeuge nachgerüstet werden, um den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Die Wirkung des Software-Updates sind jedoch fraglich. Tests haben bereits gezeigt, dass die Fahrzeuge durch das Software-Update gerade nicht sauberer werden. Eine Hardware-Nachrüstung ist dagegen denkbar, allerdings recht teuer. Und längst nicht in allen Fällen übernehmen die Hersteller die Kosten. Doch wenn Verrbaucher über 3.000 Euro für die Hardware-Nachrüstung zahlen sollen, ist ein Zögern verständlich.

Fazit: Die blaue Plakette
Ob die blaue Plakette eingeführt wird, ist noch unsicher. Sicher ist, dass Städte Grenzwerte zur Schadstoffbelastung in der Luft einhalten müssen. Diese Werte werden von der Europäischen Union und Gerichten festgelegt. Überschreiten Städte diese regelmäßig, drohen Strafzahlungen. Fahrverbote und eventuell die Einführung der blauen Plakette werden ein Instrument sein, Luftreinhaltepläne einzuhalten. Wer für etwaige Kosten aufkommen muss, ist ebenfalls Gegenstand der aktuellen Debatten.